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Rechtswissenschaftliche Projekte

Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ergeben sich die nachfolgenden Untersuchungsgegenstände, welche grundlegend untersucht werden sollen:

1. Begriff des Freien Berufes

„Bis heute hat sich weder auf nationaler noch auf der Ebene des Unionsrechts ein Gesamtbild des „freien Berufs“ so weit entwickelt, dass aus der Zugehörigkeit eines Berufs zu dieser rechtlichen Kategorie auf die rechtliche oder rechtspolitische Notwendigkeit von Regulierungen oder Deregulierungen geschlossen werden kann.“ Diese Feststellung traf die Abteilung Berufsrecht des 68. Deutschen Juristentages 2010 in Berlin in Form ihres ersten Beschlusses. Und tatsächlich besteht keine Einigkeit, welche Berufe unter die Begriffsbezeichnung „Freier Beruf“ fallen und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Soweit dem Begriff eine rechtliche Bedeutung zukommt, wird er meist am Sinn und Zweck der betreffenden Rechtsnorm ausgelegt. So decken sich bspw. die Berufsgruppen, welche zum tauglichen Gesellschafterkreis einer deutschen Partnerschaftsgesellschaft (§ 1 PartGG) gehören, zwar weitgehend, aber eben nicht vollständig mit der Begriffsbestimmung im deutschen Steuerrecht nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

In einem ersten Schritt muss daher eine Begriffsdefinition des Freien Berufes entwickelt werden, welche es ermöglicht, die Regulierungsansätze in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu vergleichen. Aus diesem Grund kann nicht allein auf ein nationales Begriffsverständnis abgestellt werden. Es muss eine rechtsvergleichende Studie durchgeführt werden, in der untersucht wird, ob in allen Mitgliedstaaten der Begriff des Freien Berufes existiert und welche Rechtsfolgen daran durch das nationale Recht geknüpft werden. Weiterhin muss untersucht werden, ob dem Begriff des Freien Berufes auch eine Bedeutung im Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union zukommt.

Im Einzelnen werden die nachfolgenden Fragestellungen bearbeitet werden:

  • Welche Begriffsdefinitionen des Freien Berufes  gibt es in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und wie unterscheiden sich die Definitionen?
  • Welche Berufe und Berufsgruppen werden zu den Freien Berufen gezählt?
  • In wieweit zählen die Freien Berufe zu den regulierten Berufe?
  • Welche Rechtsfolgen knüpfen die Mitgliedstaaten an die Zugehörigkeit zu einem Freien Beruf?

Aus Sicht der Regulierung ist dabei vor allem von Interesse, in wie weit Kategorisierungen nach bestimmten Gemeinwohlbelangen (bspw. Vertrauensberufe) möglich sind und ob ein vom 68. Deutschen Juristentag vermisstes Gesamtbild der Freien Berufe entwickelt werden kann. Durch die Beschreibung und Systematisierung wird zudem der Forschungsgegenstand des Europäischen Zentrums für Freie Berufe eingegrenzt.

2. Regulierungsansätze

Bei der Regulierung der Freien Berufe stehen sich zwei Regulierungsansätze gegenüber. In Deutschland herrscht nach wie vor ein proskriptiv und präskriptiv geprägter Regulierungsansatz vor. Dieser Ansatz stützt sich vornehmlich auf Gebote und Verbote bei der Berufsausübung. Dem steht eine „principles-based regulation“ gegenüber, die im anglo-amerikanischen Rechtskreis ihren Ursprung hat und sich auch in der Gesetzgebung der Europäischen Union immer mehr durchsetzt. Dieser prinzipienbasierte Regulierungsansatz verzichtet weitgehend auf detaillierte Berufsausübungsregelungen und formuliert lediglich zentrale Berufsausübungsgrundsätze und Berufsziele, die ein Berufsangehöriger im Interesse seines Auftraggebers und unter Berücksichtigung seiner gesamtgesellschaftlichen Funktion erreichen soll („outcomes based regulation“, bspw. Unabhängigkeit, Verschwiegenheit etc.). Geschützt wird der Verbraucher bzw. der Auftraggeber durch umfangreiche Informationspflichten der Dienstleister. Hierdurch soll der Verbraucher bzw. Auftraggeber in die Lage versetzt werden, die möglichen Risiken bei der Beauftragung eines freiberuflichen Dienstleisters selbst einzuschätzen und so eine adäquate Auswahlentscheidung zu treffen. Auf einer zweiten Ebene werde der Auftraggeber durch das staatliche Rechtsschutzsystem hinreichend geschützt.

Der informationsbasierte Regulierungsansatz wird vielfach als der vorzugswürdigere angesehen, da er bei gleicher Wirkung den Wettbewerb unter den Dienstleistern anrege und damit zu einer höheren Qualität und günstigeren Preisen führen würde.

Die beiden Regulierungsansätze sollen in einem ersten Schritt umfassend beschrieben werden. Dabei soll auf ihre Herkunft, ihre Systematik, ihre Erscheinungsformen und ihre Wechselwirkungen zur jeweiligen Herkunftsrechtsordnung eingegangen werden. Hierdurch wird die Grundlage für die Untersuchung einzelner Regulierungen geschaffen.

In einem zweiten Schritt sind exemplarisch die berufsrechtlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union darauf hin zu untersuchen, welchem Regulierungsansatz sie folgen. In Verbindung mit weiterführenden ökonomischen Studien könnte dann abschließend beurteilt werden, wie sich die Regulierungsansätze in ihren Wirkweisen unterscheiden und ob einer der Regulierungsansätze der Vorzug zu geben ist.

3. Funktion der Regulierung

Die Regulierung der Freien Berufe dient grundsätzlich der Erhaltung der Qualität freiberuflicher Dienstleistungen sowie dem Schutz von Verbrauchern und Auftraggebern. Die einzelnen berufsrechtlichen Regelungen verfolgen dabei unterschiedliche Zwecke. Es soll untersucht werden, welche Funktion die Regulierung eines bestimmten Aspekts der freiberuflichen Tätigkeit für das Rechtssystem und die Volkswirtschaft erfüllt. Die Regulierung muss immer einem schutzwürdigen Gemeinwohlinteresse dienen („legitimer Zweck“). Aus europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist eine Regulierung, die allein den Interessen der Berufsangehörigen an einem abgeschotteten Markt und deren Gewinnoptimierung dient.

Die Funktionen der Regulierungen sollen beschrieben und systematisiert werden. Daraus soll ein allgemeines Prinzip abgeleitet werden, welche Funktion die Regulierung Freier Berufe erfüllt und erfüllen darf.

Als zu untersuchende Teilaspekte berufsrechtlicher Regelungen bieten sich die nachfolgenden Fragen an:

  • Gibt es Berufsprinzipien wie bspw. Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen? Durch welche Instrumente werden diese gesichert?
  • Gibt es spezifische Berufspflichten?
  • Welche Organisationsformen dürfen Freie Berufe zur Ausübung ihres Berufes wählen? Gibt es Beschränkungen?
  • Inwieweit ist die interprofessionelle Zusammenarbeit beschränkt?
  • Sind reine Kapitalbeteiligungen an Berufsausübungsgesellschaften durch Berufsträger und / oder Berufsfremde zulässig?
  • Bestehen Honorarordnungen oder wird die Vergütung in anderer Weise reglementiert?
  • Gibt es verpflichtende Qualifizierungen und Fortbildungen?`
  • Gibt es besondere Haftungsregelungen?

4. Angemessenheit von Regulierungsmaßnahmen

Für eine europarechtliche und verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Regulierung genügt nicht allein der Schutz eines Gemeinwohlinteresses. Eingriffe in die Berufsausübung durch Regulierung müssen immer verhältnismäßig sein. Dafür entscheidend ist, welche Regulierungsansätze den verfolgten Gemeinwohlzweck optimal umsetzen und in welchen Fällen der Regelungszweck entweder nicht erreicht wird oder durch alternative und den Wettbewerb weniger einschränkende Regulierungsmethoden gleich gut oder besser erreicht werden kann. Die Beantwortung dieser Fragen erschöpft sich nicht in reinen Nützlichkeitserwägungen oder dem Interesse an mehr Wettbewerb. Maßstab muss immer die Qualitätssicherung freiberuflicher Dienstleistungen sein.

5. Berufsaufsicht / Rechtsschutz

Die berufsrechtlichen Regelungen müssen, wenn sie einen wirksamen Schutz für Verbraucher und Auftraggeber bieten sollen, durchgesetzt werden. Hierzu stehen verschiedene Instrumente bereit. Einerseits besteht die Möglichkeit einer öffentlich-rechtlich ausgestalteten Berufsaufsicht durch eine staatliche Behörde oder (vor allem in Deutschland) durch eine Berufskammer. Diese Stellen sind befugt, die Einhaltung von Berufsnormen zu überwachen und bei Verstößen berufsordnungsrechtliche Maßnahmen festzusetzen, bis hin zur Auferlegung von Bußgeldern oder gar dem Ausspruch von Berufsverboten. Der prinzipienbasierte Regulierungsansatz geht demgegenüber meist mit einem alternativen System der Normdurchsetzung einher. Den Berufsträgern werden entsprechende Informationspflichten auferlegt, an eine Falschinformation werden bestimmte Rechtsfolgen geknüpft. Zudem können die Verbraucher bzw. Auftraggeber gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Die verschiedenen Instrumente zur Überwachung der Einhaltung von Berufspflichten sollen beschrieben, systematisiert und ihre jeweilige Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Grundsätzen untersucht werden.

Eng mit der Frage der Regulierungsmethode verbunden ist auch die Frage nach der freiberuflichen Selbstverwaltung durch Kammern, die traditionell mit dem Prinzip der Freiberuflichkeit Hand in Hand geht. Sie sieht sich der Kritik ausgesetzt, ein System zu sein, das in erster Linie der Durchsetzung von Eigeninteressen dient. Das EU-Parlament hat in einer Entschließung ausdrücklich daran erinnert, „dass in manchen Mitgliedstaaten Berufskörperschaften allzu häufig ihre Selbstregelungsbefugnis mehr zur Förderung der Interessen ihrer eigenen Mitglieder als zur Förderung derjenigen der Verbraucher nutzen“ (Entschließung des Europäischen Parlaments zur Wettbewerbspolitik vom 29. Januar 2004, P5_TA(2004)0053). Der jüngste Vorschlag der Kommission für eine „Verordnung über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“ (2011/0359 (COD)) sieht beispielsweise vor, die Berufsaufsicht teilweise auf eine vom Berufsstand der Wirtschaftsprüfer unabhängige staatliche Stelle zu übertragen. Bei Verabschiedung dieser Verordnung würde bspw. die deutsche Wirtschaftsprüferkammer eine Vielzahl ihrer Kompetenzen verlieren.

Im Rahmen des zentralen Projektes soll untersucht werden, welchen Wert und Funktion die berufsständische Selbstverwaltung für die Freien Berufe hat und welche Rolle sie in einem prinzipienbasierten Regulierungsansatz einnehmen kann. Dabei ist folgenden Fragen nachzugehen:

  • Gibt es eine berufsständische Selbstverwaltung in den Mitgliedstaaten?
  • Welche Berufe werden hiervon erfasst?
  • Welche Kompetenzen und Aufgaben wurden der berufsständischen Selbstverwaltung übertragen?
  • Welche alternativen Organisationsformen der Berufsaufsicht gibt es in den Mitgliedstaaten?

 

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